Erinnerungen von Cilli Ross

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Thomas
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Erinnerungen von Cilli Ross

Beitrag von Thomas »

Dieser Beitrag, verfasst von Cilli am 25.08.2002, 12:52 Uhr, wurde aus den ehemaligen News-Artikeln ins Forum übernommen.

Fritz Brandenburger und Minna Schmidt

Als junges Mädchen besuchte Minna Brandenburger geb. Schmidt, die Damenbekleidungsakademie in Frankfurt am Main. Sie wurde von einem Engländer geleitet. Dort wurden Modellkleider hergestellt in Kleinformat, die in die ganze Welt verschickt wurden, vor allem aber nach Paris. Minna Schmidt heiratete 1907 den Zimmererpolier Fritz Brandenburger. Sie lernten sich in Rennerod Westerwald kennen, wo er in seinem Beruf. tätig war. In Rennerod wurden zwei Söhne geboren, Hans und Karl. Als die Arbeiten im Westerwald beendet waren, zog die Familie mit Alwine in die Heimat von Fritz Brandenburger nach Castrop in Westfalen. Das Haus in Rennerod wurde vermietet. 1913 wurde Tochter Hilde in Castrop geboren.

1914 brach der erste Weltkrieg aus. Bei der Bevölkerung war die Begeisterung groß. Es wurde gesungen: "Lieb Vaterland magst ruhig sein, fest steht und treu die Wacht am Rhein." Die Begeisterung hielt aber nicht lange an. Als die ersten Meldungen über viele gefallene Soldaten die Heimat erreichten und in vielen Häusern die Trauer einkehrte, wurde es allen bewußt, was das Wort "Krieg" bedeutet. Auch Fritz Brandenburger mußte in den Krieg nach Rußland, aus dem er Gott sei Dank gesund zurückkehrte. Er gehörte zum Spähtrupp und erhielt das eiserne Kreuz zweiter Klasse. Auch seine Brüder Richard, Emil und Alfred kamen gesund zurück. Richard hatte einen Zimmereibetrieb, Emil einen Elektrogroßhandel in Köln und Alfred war an der Krankenkasse tätig. Er kam im zweiten Weltkrieg durch Tieffliegerbeschuß auf der Straße um.
Als Adolf Hitler den Westwall bauen ließ (Grenze zu Frankreich), wurde auch Fritz Brandenburger dazu einberufen. In seiner Gruppe war ein junger Mann, der immer die Taschen voller Geld hatte. Es wurde festgestellt, daß er für Frankreich spionierte und so wurde er erschossen.
Den zweiten Weltkrieg selbst hat Fritz aber nicht mehr erlebt, er starb Anfang 1939.

Nun zu Fritz Brandenburgers Bruder Karl, der wegen der Erwerbslosigkeit in den freiwilligen Arbeitsdienst nach Finsterwalde ging. In dieser Zeit demonstrierten die Kommunisten, die von berittener Polizei begleitet wurden. Die Frauen trugen weiße Blusen und rote Schlipse. Sie riefen mit den Männern im Chor:

Wer hält uns in Ketten und Qualen,
Das sind die Deutschnationalen,
Wer macht uns dumm,
Das Zentrum,
Wer hat uns verraten?
Die Sozialdeinokraten
Wer macht uns Frei?
Die kommunistische Partei.
Was haben wir? Hunger!---
Was wollen wir? Arbeit und Brot!----

Nach der Machtübernahme des Deutschen Reiches durch Adolf Hitler, wurde alles gleichgeschaltet. Das heißt, es gab nur die NS-Staatsjugend, NS-Frauenschaft, NSV-Volkswohlfahrt, NS-Lehrerbund, NS-Studentenbund usw. Der Gruß "Heil Hitler" wurde eingeführt und unter allen Briefen mußte Heil Hitler oder mit deutschem Gruß stehen. Alle Briefe, die aus dem Ausland kamen wurden kontrolliert.

Die Machtübernahme erlebte Karl Brandenburger, der Sozialdemokrat war, am 30. Januar 1933 im Arbeitsdienst in Finsterwalde, der innerhalb kürzester Zeit militärisch wurde, eine Befürchtung, die Kar1 als Sozialdemokrat schon vor der Machtübernahme durch Adolf Hitler hatte. Übrigens mußte nach der Machtübernahme die Hakenkreuzfahne gegrüßt werden mit erhobenem rechten Arm, Als die SA marschierte SA=Sturmabteilung, hatte Karl die Fahne nicht gegrüßt, sofort sprang einen aus der Reihe und ohrfeigte ihn. Er und gleichgesinnte Kameraden druckten Plakate gegen Adolf Hitler, die sie heimlich an verschiedenen Stellen anbrachten. Doch der Verräter schläft nicht und so erging es auch Kar1. Von guten Freunden wurde er gewarnt, man riet ihm zur Flucht, da sonst Verhaftung drohte. Vorsichtshalber ließ er durchblicken, daß er nach Prag flüchten würde. Er nahm aber ein Schiff nach Schweden, wo er als Asylant aufgenommen wurde. Als er mit seinem Fluchtschiff auf hoher See war, kam ein schwedischer Seeoffizier mit den Worten zu ihm: "Wir sind in schwedischen Hoheitsgewässern, Sie brauchen jetzt keine Angst mehr zu haben." Karl war in Schweden sehr fleißig und hat es durch Abendstudium vom Zimmermann zum Baumeister gebracht. Viele öffentliche Gebäude entstanden unter seiner Leitung. (Post, Konsum usw.)
Seine Mutter besuchte ihn und seine Frau 1938 in Schweden. Karl hatte da schon zu ihr gesagt, daß Adolf Hitler einen Krieg anstrebe und es Konzentrationslager gäbe, was wir nicht wußten. Sie hatte mit Karl eine Vereinbarung, getroffen, daß er in seinen Briefen Adolf Hitler als Tarnung unseren Hund Phillip nennen würde. Die kontrollierten Briefe waren immer mit farbigen Streifen versehen. Er hatte das Gück die schwedische Staatsangehörigkeit zu erhalten, denn er bekam vom NS-Reich die Aufforderung zurückzukommen. Karls Voraussagungen trafen ein, der furchtbare Krieg begann.
Als er ein Jahr in Schweden war, ließ er seine Friedel aus Finsterwalde nachkommen, wo sie heirateten. Zum Empfang hatte er eine vollkommen eingerichtete Zweizimmerwohnung. Von der Predigt bei der standesamtlichen und kirchlichen Trauung hatte Friedel nichts verstanden, denn sie konnte ja noch kein Wort der schwedischen Sprache. Als sie "JA" sagen mußte, stieß unser Karl sie etwas an. Später war sie perfekt in dieser Sprache. Nach neunjähriger Ehe wurde ihnen Tochter Gun-Mariann geboren, die ihnen viel Freude machte. Gun wuchs zweisprachig auf und konnte sehr gut lernen. Nach ihrem so guten Abitur erhielt sie vorn schwedischen König ein Stipendium für zwei Jahre Studium in Amerika. Sie heiratete in Amerika und lebt mit ihrem Mann Dennis in Kalifornien. Kinder haben sie keine.

Fritz Brandenburger, Sohn von Fritz und Minna Brandenburger, wohnt in Gelsenkirchen Buer mit seiner Familie. Er hat bei seinem Bruder Hans das Zimmerer-Handwerk erlernt. Anschließend besuchte er die Bauschule in Essen, mußte sich aber vorher einer vierzehntägigen politischen Schulung des NS-Reiches unterziehen. Während er noch die Bauschule besuchte, begann der zweite Weltkrieg und sein Bruder Hans wurde eingezogen. Als Bauschüler vollendete Fritz die noch nicht fertiggestellten Bauvorhaben. Er fuhr mit seiner Schwägerin Margot zu den Baustellen, damit sie über alles orientiert war. Dann wurde das Auto für den Kriegseinsatz eingezogen. Kurz darauf wurde auch Fritz eingezogen. Hans und Fritz kamen Gott sei Dank wieder. Nach der Entlassung aus der französischen Gefangenschaft besuchte Fritz weiter die Bauschule. Da die Schule in Essen durch Bomben total zerstört war vollendete er sein Studium an der Bauschule in Holzminden als Hoch- und Tiefbauingenieur.
Dort lernte er seine zukünftige Frau Elsbeth kennen und lieben. Sie war Kriegerwitwe und brachte Tochter Ingrid mit in die Ehe. Die Hochzeit war 1947, als alle hungerten. Elsbeths Vater organisierte ein tolles Hochzeitsessen, seine Verwandten hatten einen Bauernhof. Alle Gäste konnten sich zum erstenmal wieder richtig satt essen. Bruder Hans hatte es zu der Zeit sehr schwer, er mußte mit seinem Betrieb wieder neu beginnen, er kam aus englischer Gefangenschaft in einer englischen Uniform aus der Margot später für Hansi einen Anzug nähte.


Louis Brandenburger und Albertine Ebert

Louis Brandenburger war als Bergmann, Schießmeister auf der Zeche tätig und verlor durch einen Unfall drei Finger. Er wurde nach dem Kirchgang auf der Straße von einem Autofahrer angefahren, der ihn schwer verletzt ins Krankenhaus brachte und verschwand. Er wurde nie ermittelt! Louis verstarb am gleichen Tag. Seine Frau Albertine Ebert stammte aus Bochum Stiepel. Sie hatte noch eine Schwester. Sie war verheiratet mit Heinrich von der Burg.
Albertine und deren Schwester mußten schon als Kinder tüchtig arbeiten. Sie hatten ihre Mutter schon als Kinder, also sehr früh durch den Tod verloren. In Bochum Stiepel gehörte ihnen der Gasthof zur Sonne und Bäckerei dazu. Das Schild "Gasthof zur Sonne" soll heute noch dort zu sehen sein.
Morgens vor der Schule mußten sie beide den großen Saal schrubben, (einen Tanz.- und Festsaal). Damals waren die Fußböden ja nicht wie heute. Später, als gebohnert wurde mit einem Bohnerbesen (der viel Gewicht hatte) war es schon leichter. Die heutige Jugend kennt sie nicht mehr. Albertine erzählte ihren Enkeln, daß sie dreißig Tanzkurse mitgemacht hätte. Dann erzählte sie, daß sie nach dem Tod ihrer Mutter immer so geweint hätte. Eines morgens, ganz in der Frühe wäre ihre verstorbene Mutter zu ihr ins Schlafzimmer gekommen, sie lag noch in ihrem Bett, schlief aber nicht. Dann hätte die Mutter gesagt: "Albertine, du darfst nicht immer weinen, ich finde keine Ruhe." Albertine hatte außer ihren Eltern und ihrer Schwester keine Verwandten in Stiepel, sondern nur noch in Berlin. Louis Brandenburger und Albertine hatten außer den vier Söhnen Fritz, Richard, Emil und Alfred noch zwei Töchter, Guste und Meta. Beide waren an der Stadtverwaltung Castrop tätig. Tante Meta im Vorzimmer des Bürgermeisters von Castrop.
Als die Franzosen in den zwanziger Jahren das Ruhrgebiet besetzten, mußte Meta die Franzosen im Namen der Stadt Castrop in Empfang nehmen und zu ihrem Chef dem Bürgermeister führen. Sie hatte übrigens als Kind eine Auszeichnung als beste Schülerin von Castrop erhalten, vom Kaiser Wilhelm dem 2. unterzeichnet, dem letzten Kaiser von Deutschland, als er das neue Schiffshebewerk in Henrichenburg einweihte. Diese Urkunde ist im Besitz von Metas Tochter Helga, verwitwete Lohmann.
Meta war mit Wilhelm Heermann verheiratet, der auf der Zeche Steiger war. Willy war ein lieber und gütiger Mensch, der den Humor gepachtet hatte. Er verstarb im November 1961. Meta und Willy hatten vier Kinder, von denen der älteste, Wilfried, als sechzehnjähriger Schüler Luftwaffenhelfer im Krieg war und seit Ende des Krieges vermißt ist.
Der jüngste Sohn von Meta und Wilhelm Heermann, Elmar, war nach seiner Ausbildung bei der Stadtverwaltung Castrop-Rauxel, in Bonn im Wirtschaftsministerium tätig.
Die jüngste Tochter von Meta und Wilhelm Heermann, Heidi, und ihr Ehemann sind bei der evgl. Kirchengemeinde angestellt als Organisten und Chorleiter, Posaunenchor usw.
Guste und ihr Mann Georg hatten drei Söhne und eine Tochter. Der älteste Sohn Karl ist im zweiten Weltkrieg gefallen, Ernst lebt in Mühleim/Ruhr, er ist Witwer, kinderlos und war immer im Baubüro tätig. Alfred starb jung an Thrombose.
Alfred, der jüngste Sohn von Louis Brandenburger und Albertine Elbert, heiratete Hermine Hild, die Bernhard als Witwer mit in die Ehe gebracht hatte. Sie bekamen drei Töchter und einen Sohn. Sohn Alfred, der jüngste war Lebensreformer und leitete viele Jahre die Reformhauskette Schmelz im Raum Hannover. Durch die Reformernährung heilte er sein Magenleiden.


Karl Wilhelm Schmidt und Alwine Kring

Karl Schmidt heiratete Alwine Kring aus Salzburg im Westerwald, sie war 19 Jahre alt. Ihr Vater, Ludwig Heinrich Kring war Landwirt und Bürgermeister in dem kleinen Ort.
Da Alwine als Kind eine außerordentlich gute Schülerin war, wurde sie ein Jahr von der Schule befreit um im Bürgermeisteramt die Schreibarbeiten zu erledigen.
Ihr Vater zog als Bürgermeister die Steuergelder ein. Als sich die Steuergelder vollständig in seinem Haus befanden, wurde in der Nacht eingebrochen und alle Gelder gestohlen. Da es in dieser Zeit noch keine Versicherungen gab, war er haftbar für diese Gelder. Er mußte Wald und Äcker verkaufen, um das gestohlene Geld aufzubringen. Alwine erzählte, daß ihre Mutter viel weinte, sie hätte ihre Spardose geben wollen, doch die Eltern nahmen das rührende Angebot nicht an. Im gleichen Ort wohnte in einer baufälligen Hütte eine asoziale Familie, die sich zwei Jahre nach dem Einbruch ein schönes Haus bauten. Der Einbruchsverdacht war auf diese Familie gefallen aber damals wurde nicht nachgeprüft woher das Baugeld stammte. Jahre später erzählte der Förster, das er bei einem unverhofften Besuch in dieser Hütte sah, daß unter dem Küchenherd ein Brett weggenommen war. Auf die Öffnung wurde schnell der Kohlenkasten geschoben. In dieser Öffnung wird sich wohl das gestohlene Geld befunden haben. Dem Förster fehlte wohl der Mut eine Meldung zu machen.
Aus der Ehe Karl und Alwine Schmidt gingen fünf Kinder hervor, ein Sohn und vier Töchter, von denen zwei Töchter in jüngeren Jahren starben.

- Louis Schmidt, der Sohn von Karl Schmidt und Alwine Kring, diente als Soldat bei der Augusta Garde, Berlin. Die Frau vom letzten Kaiser hieß Auguste Viktoria. Louis Schmidt wollte das Geschäft in Rennerod nicht übernehmen und arbeitete in Duisburg Beek als Werkmeister, wo er auch verblieb. Er heiratete Auguste Hoffmann aus Rennerod deren Eltern dort eine Metzgerei hatten. Aus der Ehe Louis und Auguste gingen sechs Kinder hervor, vier Söhne und zwei Töchter.

- Bertha Schmidt war die älteste Tochter von Karl Schmidt und Alwine. Sie heiratete Bernhard Hild, Spengler und Geschäftsmann in Gönnern Kreis Biedenkopf. Gönnern heißt heute Angelburg. Sie übernahm zwei kleine Töchter, da Bernhard Hild Witwer war. Er und seine Frau Bertha bekamen noch sechs Kinder, fünf Söhne und eine Tochter. Bernhard Hild, verstarb verhältnismäßig jung als der jüngste Sohn Werner gerade mal zwei bis drei Jahre alt war. Sohn Artur war Sturmbandführer bei der SS oder SA. Er war deshalb nach dem Krieg lange Zeit in Haft. Alfred hatte eine Tankstelle, die sein Sohn Klaus erst vor einigen Jahren verkauft hat. Kurt war Kaufmann und hatte ein Schreibwarengeschäft in Biedenkopf. Vier der Kinder sind im hohen Alter verstorben. Walter, der fünfte und älteste fiel im ersten Weltkrieg 1918. Er war Hornist. Seine Schwester Erna hat mit ihrem Mann sein Grab in Frankreich auf einem Soldatenfriedhof aufgesucht. Er war als ältester die Stütze seiner Mutter gewesen.
Als Bernhard starb (er war ein reicher Mann) hatte er ihr so viel Geld hinterlassen, daß sie mit den Kindern von den Zinsen hätte leben können. Das war im Jahre 1913. Dann kam der erste Weltkrieg 1914 und die Bevölkerung wurde aufgefordert (vom Kaiser) die Goldmark als Kriegsanleihe zu zeichnen, was Bertha auch tat. Außerdem wurde die Bevölkerung aufgefordert, ihre goldenen Eheringe abzugeben, sie bekamen dafür einen SPAM aus Eisen, mit der Inschrift "Gold gab ich für Eisen." Viele Menschen kamen diesem Aufruf nach, denn alle vertrauten doch dem Kaiser und dem Sieg des Vaterlandes. Als der erste Weltkrieg verloren war, dankte unser Kaiser Wilheim ab und flüchtete mit seiner Frau ins Exil nach Holland, wo er bis zu seinem Tode verblieb. Auf den Straßen wurde gesungen: "O Tannebaum, o Tannebaum, der Kaiser hat in Sack gehaun, nun nimmt er seinen Henkelmann und fängt bei Krupp in Essen an." Henkelmann war ein Gefäß, das die Männer mit Essen gefüllt zur Arbeit mitnahmen.
Das wenige, das Bertha noch hatte, ging in der Inflation 1923 verloren. In diesen schlechten Zeiten wurde bei Bertha eingebrochen und aus ihrem Geschäft alle lebenswichtigen Dinge gestohlen. Selbst zwei geschlachtete Schweine, die noch auf der Leiter hingen, nahmen die Diebe mit. Auf der Ladentheke hinterließen sie eine Axt, falls sie überrascht worden wären. Nach dem Einbruch wurden jeden Abend alle Türen mit schweren Riegeln gesichert. Die Ladenkasse wurde jeden Abend mit ins Schlafzimmer genommen.

- Minna Brandenburger geb. Schmidt war die jüngste Tochter von Karl und Alwine Schmidt. Minna führte nach dem Tod des Vaters, Karl Schmidt, mit Ihrer Mutter Alwine das Geschäft weiter. Der Vater Karl Schmidt starb mit sechzig Jahren an einem Schlaganfall am Heiligen Abend. Der Weihnachtsbaum war schon geschmückt, den er selbst aus seinem Wald geholt hatte.


Karl Schmidt und Mathilde Müller

Mina Brandenburger, geb. Schmidt, erzählte ihren Kindern, daß in ihrer Erinnerung ihre Großmutter Mathilde Schmidt, geb. Müller eine große Rolle spielte. Sie war eine energische, intelligente, fleißige Frau, mit einer gewissen Härte. Das Schicksal hatte ihr nach sechsmonatlicher Ehe ihren Mann genommen, er starb an einer Lungenentzündung, die damals noch nicht heilbar war.
Drei Monate später wurde ihr Kind geboren, ein Sohn, der nach dem verstorbenen Vater auch Karl Wilhelm genannt wurde. Der Beruf des verstorbenen Vaters war Schneider. Diese Mathilde Schmidt war gebürtig aus Elberfeld. Da damals alle Handwerksgesellen wandern mußten, nimmt man an, daß Karl Schmidt, aus dem Westerwald, seine Mathilde Müller und spätere Ehefrau, auf diese Weise kennenlernte.
Karl Schmidt war katholisch und Mathilde Müller evangelisch. Der verstorbene Karl Schmidt hatte zumindest noch eine Schwester, die sich dagegen auflehnte, daß der Sohn ihres verstorbenen Bruders evangelisch getauft wurde. Seine Mutter hatte sich aber durchgesetzt und so war er evangelisch. Als er ins schulpflichtige Alter kam, brachte seine Mutter ihn in die evangelische Schule. In der Pause holte ihn seine Tante und brachte den Jungen in die katholische Schule. So ging es einige Tage hin und her. Der Streit nahm immer größere Formen an. Kirchliche Stellen wurden angeschrieben, es ging fast bis zum Papst. Dann schrieb der Nuntius, eine evangelische Mutter könne kein Kind katholisch erziehen, man solle es so belassen, wie es wäre.
Mathilde Müller hatte noch eine Schwester Elena, die ihr 1829 ein Gebetbuch schenkte, das später ihre Schwiegertochter Alwine Schmidt geborene Kring bekam. Dieses Gebetbuch war immer im Besitz unserer Familie. Alwine hat immer daraus gebetet. Es ist jetzt im Besitz von Hans Brandenburger, der sich dieses Gebetbuch schon als Kind wünschte. Als Karl Schmidt konfirmationspflichtig wurde, mußte er im Nachbardorf wohnen, weil die Tante sich immer noch nicht beruhigt hatte wegen des Glaubens.
Nach der Schulentlassung begann er eine Lehre als Spengler (Installateur). Seine Mutter hatte es finanziell sehr schwer, denn in dieser Zeit gab es noch keine Rente. Sie verdiente ihren Unterhalt für sich und ihr Kind durch Näharbeiten, gab Handarbeitsstunden und unterrichtete in diesem Fach in der Schule. Als Sohn Karl seine Lehrzeit beendet hatte, bauten Mutter und Sohn in Rennerod im Westerwald ein Haus.
Sie waren sicher sehr sparsam, denn sie kauften Feld und Wald hinzu, hatten eine kleine Landwirtschaft mit zwei Kühen und Federvieh. In ihrem Haus eröffneten sie ein Haushaltswarengeschäft, sowie eine Werkstatt.
Karl Schmidt machte sich selbständig! Er stellte Dachrinnen her, Kartoffelreiben, früher Reibeisen genannt, Zinngeschirr, Bratpfannen und Töpfe. Er nahm auch Reparaturen von Töpfen und Pfannen an, aber nur, wenn sie sauber waren. Er sagte dann: "Soll ich die Töpfe sauber machen oder reparieren?"
Da sich in Rennerod das Amtsgericht befand und die dort angestellten Richter und Assessoren, die meist von auswärts kamen, ein Zimmer suchten, war Mathilde Schmidt so weitsichtig, daß sie in diesem erbauten Haus mehrere Zimmer errichtet hatte, die sie an diese Herren vermietete. Einer dieser Herren wurde später Schatzmeister beim Kaiser in Berlin. Karl Schmidt war auch im Gemeinderat. Die Wahlen waren damals öffentlich. Übrigens war in der Kaiserzeit Dreiklassenwahlrecht. Wer viel Vermögen hatte konnte drei Stimmen abgeben, sonst nur eine Stimme.
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