Wappenübernahme bei weiblichen Nachkommen

Allgemeine und spezielle Fragen oder Hinweise zur Heraldik.
Antworten
Frank_Bolte
Mitglied
Beiträge: 1
Registriert: 06.05.2002 11:22

Wappenübernahme bei weiblichen Nachkommen

Beitrag von Frank_Bolte »

Dieser Beitrag, verfasst von Frank Bolte am 18.01.2003, 20:37 Uhr, wurde aus den ehemaligen News-Artikeln ins Forum übernommen.

Grundsätzlich werden Wappen nach dem tradierten Wappenrecht im Mannesstamm weitergegeben. Die Weitergabe erfolgt "zur ganzen Hand", d.h., auch die Töchter des Wappenträgers dürfen das Wappen führen. Im Falle ihrer Heirat dürfen die Töchter das Wappen weiterführen; es darf jedoch nicht vom Ehemann geführt werden, da dieser nicht zum Mannesstamm der wappenführenden Familie gehört.
Nun hat sich seit der Ausgestaltung des Wappenrechts der gesamtrechtliche Rahmen gewaltig verändert. Dazu muss vorausgeschickt werden, dass das Wappenrecht lediglich Gewohnheitsrecht ist. D.h., das Wappenrecht ist solange gültig und anzuwenden, wie ihm kodifiziertes Recht nicht entgegensteht. Da wäre zunächst einmal die Regelung der Vererbung im Mannesstamm zu nennen. Diese Regelung verstößt gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Gleichberechtigung von Mann und Frau, Art. 3 Abs. 2 GG, und das Benachteiligungsverbot auf Grund des Geschlechts, Art. 3 Abs. 3 GG. Daneben verletzt die Begrenzung auf den Mannesstamm auch das verfassungsrechtliche garantierte Recht auf Entfaltung der Persönlichkeit, Art. 2 Abs. 1 GG, zu dem auch der Bezug auf die eigene Herkunft und Familie gehört. Die kodifizierten verfassungsrechtlichen Regelungen führen somit zur Aufhebung der Wirkung dieser wappenrechtlichen Bestimmung, d.h., es kann sich keiner mehr auf diese Bestimmung berufen. In der Konsequenz bedeutet dies, dass auch Töchter nicht nur das Wappen ihres Vater führen dürfen, sondern dieses auch an ihre Kinder weitergeben können.

Dies wirft nun unmittelbar die Frage auf, wie die Vererbung von Wappen geregelt sein könnte, damit nicht irgendwann eine Vielzahl von Menschen ein und dasselbe Wappen führt, ohne dass ein verwandtschaftlicher Zusammenhang erkennbar ist. Dies wäre nämlich der Fall, wenn nur die Blutsverwandschaft maßgeblich wäre. Zudem in diesem Fall auch offen bliebe, ob Kinder das Wappen des Vaters oder der Mutter (oder beide?) weiterführen.

Eine Lösung wäre die Anbindung an den Namen. Diese Regel käme der bisherigen wappenrechtlichen Regel am nächsten, da durch die Vererbung im Mannesstamm und unter Beachtung des alten Namensrechts im Regelfall Wappen und Familienname miteinander verbunden waren. Dies liegt um so näher, da sich in Deutschland nach herrschender Meinung der Schutz des Wappens aus § 12 BGB (Schutz des Namens) ergibt, ohne dass Wappen in dieser Vorschrift genannt werden. Nach gängiger Lehre ist das Wappen nämlich ein Annex zum Namen, wobei die verschiedenen Kommentatoren die unmittelbare oder die analoge Anwendung des § 12 BGB vertreten, sofern sie dieser Frage nicht ausweichen. Die Vertreter der unmittelbaren Anwendung des § 12 BGB stellen das Wappen mit dem Namen gleich. Das hat zur Folge, dass die Frage der Vererbung des Wappens nach den Regeln des Namensrechtes zu beantworten ist. Die Verfechter der analogen Anwendung des § 12 BGB übertragen hingegen nur die Rechtsfolgen des Namenschutzes auf den Schutz des Wappens. Die Frage der Berechtigung zum Führen des Wappens ergäbe sich hingegen aus dem Wappenrecht. In einem Streitfall müsste das erkennende Gericht jedoch - vorausgesetzt es vertritt die Auffassung einer analogen Anwendung des § 12 BGB - die Verfassungskonformität des Wappenrechtes nach dem Grundsatz der Drittwirkung von Grundrechten mitprüfen. Diese Prüfung dürfte - siehe oben - zu der Feststellung führen, dass die Einschränkung auf den Mannesstamm verfassungswidrig und damit unbeachtlich ist. Im Ergebnis käme das Gericht dann zu dem gleichen Urteil wie bei unmittelbarer Anwendung des § 12 BGB.

Da durch das neue Namensrecht auch der Geburtsname der Frau Familienname werden kann, bliebe als geeignete Lösung, das Führungsrecht für ein Wappen an den Namen zu binden. Dadurch könnte es sowohl im Mannesstamm wie auch in der weiblichen Linie (Gleichberechtigung!) vererbt werden. Durch die leibliche Abkommenschaft von einem Ahnen und den Familiennamen bliebe der Stammeszusammenhang aller berechtigten Wappenträger gewahrt.

Meine Ausführungen sollten nicht bedeuten, dass die Weitergabe des Wappens nur an den Namen gebunden ist. Selbstverständlich ist auch die leibliche Abkommenschaft weiterhin maßgeblich. Beides muss zusammenkommen um eine Führungsberechtigung für ein Wappen zu begründen. Bitte bedenken Sie, dass nach tradiertem Wappenrecht eine Frau nicht nur das Wappen ihres Vaters auch in der Ehe weiterführen durfte, sondern dass sie - weil sie ja bisher in der Ehe nach altem Namensrecht den Namen des Mannes führte - auch dessen Wappen führen konnte. Nach neuem Namensrecht kann nun aber auch der Geburtsname der Frau Familienname werden. Es wäre aus Gründen der Gleichberechtigung (!) nur angemessen, wenn in diesem - und nur in diesem - Fall der Ehemann ebenfalls das Wappen führen dürfte. Die gemeinsamen Kinder dürften dann das Wappen der Frau weiterführen. Dies war bisher ausgeschlossen. Es ist nun in der Tat so, dass durch den Wegfall der Bindung an den Mannesstamm eine Konstellation eintritt, die es nach alter Rechtsanwendung gar nicht geben konnte. Im Falle der Scheidung darf das nicht dazu führen, dass der (Ex-)Ehemann - weil er z.B. den Namen seiner Ex-Frau behält - ihr Wappen an Kinder weitergibt, die er mit einer anderen Frau hat. Umgekehrt darf es auch nicht dazu führen, dass eine Frau das Wappen ihres ersten Mannes an Kinder aus einer weiteren Ehe weitergibt. Das Element der Blutsverwandtschaft muss daher hinzutreten. Hier gilt dann der wappenrechtliche Grundsatz, dass Namensgleichheit nicht Wappengleichheit bedeutet.
Das die Wappenrollen bisher keine Anpassungen ihrer bisherigen Verfahrensweise vorgenommen haben, mag vielleicht darin begründet liegen, dass der Prozess des Umdenkens den Entscheidungsträgern schwer fällt. Die Auffassung der privatrechtlich als Vereine oder Gesellschaften bürgerlichen Rechts oder Handelsrechts organisierten Wappenrollen ist allerdings vollkommen unbeachtlich. Maßgeblich ist allein das staatlich gesetzte Recht. Im Übrigen sind die Wappenrollen auch nicht Gralshüter des Wappenrechts (falls sie sich als solche überhaupt empfinden). Als Gewohnheitsrecht lebt das Wappenrecht durch die Handhabung aller, die es betrifft und ist damit durchaus auch einem gesellschaftlichen Wertewandel unterworfen.
Es bleibt also allen Betroffenen vorbehalten, durch ihr Handeln und Vertreten ihrer Auffassungen ein Wappenrecht zu formulieren, dass (vielleicht) der von mir vertretenen Meinung entspricht. Für das in diesem Beitrag angerissene Problem wäre dann eine konsenzfähige rechtliche Formulierung zu finden, die dem gesellschaftlichen Wollen und den staatlichen Regeln entspricht. Tradition bedeutet schließlich nicht kompromissloses Festhalten am Überkommenden um jeden Preis, sondern Bewahren des Guten und Bewährten und Anpassen dessen was nicht mehr tragfähig ist.
Antworten