Maut, Handel, Wirtschaft und soziale Situation 1820
Verfasst: 03.09.2011 08:35
Für und Wider -
ein gesellschftliches Bild der Zeit nach der Napolionischen Zeit, des panischen Krieges, der Entwicklung Amerikas auf den Handel und damit die soziale Situation der Händler, des Gewerbes, der Juden und der Arbeiter.
Mainz, den 9.April 1820
So eben erschien hier das V. Heft des II. Bandes von den Beiträgen zur Beförderung des Handels und der Schiffahrt.
Die Frage:
sind die Mautsystheme in Deutschland die einzige oder Hauptursache des Verfalls des deutschen Handels, ist darin erörtert von Hofrath von Rau durch folgende interessante Bemerkungen:
Will man über den gegenwärtigen Stand der Fabriken und des Handels in Deutschland ein richtiges Urtheil fassen, so muß man die gegenwärtige Lage mit jener vor dem großen Kriegszustande vergleichen. 1)
Damals bezogen die Handels- und Kaufleute der großen und reichen Städte Deutschlands vor den Messen oder im Früh- und Späthjahr ihren Kaffee, Zucker und übrige ost- und westindischen Produkte aus den Seestädten. Holland versorgte den Rhein, die Britten größtentheils die Elbe und Weser; Fabrikwaren kaufte man in den Messen,auf welche die Fabrikanten sie brachten. Die Krämer kamen zur Zeit der Messen in jene Städte und versorgten sich auf kleine Zeitperioden und nach Verhältnis ihres Vermögensoder Kredits mit den ihnen angemessenen Sorten von Waaren. Sie kauften nicht unmittelbar von Fabrikanten, die sie nicht kannten; sie verschrieben die fremden Produkte nicht von den Seestädten; sie kauften sie vom Frankfurter, Leipziger, vom Kölner Kaufmann; sie waren mit dem Gewinne zufrieden, denen der Detailhandel ihnen zusicherte, nachdem der Großhandel seine Prozente schon davon abgezogen hatte.
In der späteren Zeitperiode gab das abwechselnde Kriegstheater und der größere Bedarf dem Handel in Deutschland eine andere Gestalt. Die gemessenen Vorräthe, die man früher von Messe zu Messe verschrieb, waren bei den Truppenbewegungen von einer halben Million fremder Kriegsvölker und ihres bedeutenden Nachzugs schnell aufgezehrt. Eine große Anzahl anderer Artikel wurde ein weit wichtigerer Gegenstand des Handels. Man legte Militärmagazine an; diese veranlaßten Spekulationsmagazine aller Art.
Man beeilte sich überall Vorkäufe zu machen; jeder wollte hierin der erste sein, und den größten Vortheil vor anderen haben.
Die sonst ein halbes Jahr an ihren Vorräthen verkauften, setzen sie in einer Woche ab; wo dies nach einiger Zeit nicht so fortging, klagte man: der Handel gehe schlecht.
Die Kaufleute legten aller Orten Komtoire (Handels-Büros) an, um die bestellten Lieferungen zu besorgen; sie schickten aller Orten Reisende, um gute Einkäufe zu machen. Diese glücklichen Entreprisen (Geschäfte) vermehrten die Speculanten aller Art; jeder wollte den Großhändler spielen und schnell ein Millionär werden. Die Zahl dieser Großhändler vermehrte sich, wie der Sand am rothe Meere; aber die Millionäre nicht in gleicher Zahl. 2)
Den Kleinhandel zu treiben, war eine Schande; man überließ ihn den Juden. Dieses sparsame Volk wußte ihn zu benutzen.
Der außerordentliche Verbrauch der Fabrikwaaren, wozu die des Luxus nicht weniger, als die des Bedürfbisses gehörten, machte die Vergrößerung der Fabrikgebäude und die drei- bis vierfache Vermehrung ihrer Arbeiter nothwendig. Viele neue entstanden. Man bezog nicht mehr mit seinen Fabrikaten die Messen, man setzte alles vor der Zeit ab, die Hände konnten nicht genug arbeiten.
Was etwa übrig blieb oder zurückgelegt werden mußte, bekamen oft die Juden zum Verschleiß im Kleinhandel.
Das Kriegstheater wich endlich von dannen; aber die Magazine waren noch mit Vorräthen aller Art angehäuft, die Fabrikarbeiter überall in großer Anzahl mit voller Bearbeitung des rohen Materials beschäftigt.
Den Detailhandel indessen überall die Juden an sich gezogen, weil er den christlichen Kaufleuten zu gerin war. Diese wußten ihren Vortheil daraus zu ziehen, und vermehrten, in sparsamer Lebensweise ihr Vermögen. Sie wurden jetzt die Großhändler, indem sie den Fabriken aus der Noth halfen, die ihre Waaren unter dem Preise verkaufen mußten, um ihre Arbeiter zu bezahlen.
Letztere hatten den Schaden, jene genossen des Vortheils; diese verarmten, jene wurden reich.
Die Fabrikarbeiter wurden außer Arbeit gesetzt, das Heer der Kommis wurde verabschiedet.
Mit dem Verdienste und der Leichtigkeit des Erwerbs in den Kriegsjahren war der Luxus aller Art gestiegen. Das Geld ging damals von Hand zu Hand. Diese schnelle Cirkulation erleichterte die Ausgabe im Allgemeinen, und schien die Masse des Geldes unendlich vermehrt zu haben.
Allein, nur Wenige hatten große Reichthümer angehäuft, nicht Alle waren glücklich in ihren gewagten Unternehmungen. Viele hatten es groß angefangen: jetzt gingen Wege und Mittel aus, es groß fortzusetzen.
Mitten im Kriege schien das Kontinentalsystem dem deutschen Handel eine furchtbare Sperre anzulegen und doch gewann damals der Handel unendlich; die größten Spekulationen wurden ausgeführt, die Geschäfte auf großen Umwegen und mit vielen Beschwernissen erreicht, der Handel wußte sich die Straßen zu öffnen und den Weg zu sichern, man überzeugte sich, daß die strengste Sperre kein Hindernis des Handels sei, wenn der Absatz keinem Zweifel unterlag.
Wenn jene Sperre, die mit so vieler Strenge behauptet wurde, wenn die dabei gesetzten Auflagen, welche jene aller neuen Mauten bei weitem überstiegen, dem Handel und Verkehr nichts schadeten, weil der Absatz unter jedem Preise gesichert war, soll man dann nicht auf die Vermuthung kommen:
Daß die jetzigen Mautsysteme wenigstens nicht die Haupt- und nicht die einzige Ursache des Stillstandes im deutschen Handel seien?
Wenn in den nordamerikanischen Freistaaten, wenn in Großbrittanien und in allen übrigen Staaten von Europa der Handel still liegt, wie in Deutschland; wenn dort die alten Handelsgesetze und Freiheiten unverändert - wie früher - bestehen, und doch der Absatz, mithin der Verkehr aller Art vermindert ist:
soll man unter solchen allgemeinen Verhältnissen, den Stillstand des Handels und der Fabriken in Deutschland - den neubestehenden Mautsystemen zuschreiben? *)
Wenn man überdenkt, daß mit Endigung eines jeden Kriegs, eine Menge Menschen, die sich vor und hinter den Armeen ernährten, brodlos werden müssen;
Daß der Verbrauch unendlich abnehmen muß, folglich die Fabrikation und der Verkauf in das vorige Gleichgewicht zurücktritt; *)
Daß durch die Verwüstungen des Krieges viele Bewohner des LAndes verarmen und in Schulden gerathen;
Daß beim Ende dieses Krieges der Papierhandel die Hauptrolle spielt und allen übrigen Geschäften das Geld entzieht; *)
Daß nach den erschöpften Staatskassen die Regierenden einen Schatz in klingender Münze zu bilden suchen;
Daß nter diesen Umständen noch Hungerjahre hinzukommen, wie jene von 1816 und 1817,
So ist nach meiner Überzeugung der verminderte Handel Folge:
1) des Friedens, wegen des verminderten Verbrauchs: Folge
2) der übergroßen Menge der vergrößerten Fabrikanstalten; Folge
3) der übergroßen Menge von Kaufleuten, die oft genöthigt sind, die Waaren wohlfeiler zu verkaufen, als sie dieselben einkauften, um Geld zu gewinnen, die Einkäufe zu decken. Folge
4) der häufigen Papiergeschäfte, welche den übrigen Handelsspekulationen das Geld entziehen; Folge
5) der Thätigkeit der Juden, die sich des Detailhandels bemächtigt haben und wohlfeilere Preise machen als die Christen. Folge
6) der Luxus der Handelsleute, die von ihrer vorigen Stufe des Großhändlers nicht wieder zum Detailhändler zurückkehren wollen; Folge
7) des großen Heeres der Musterreiter, welche alle Märkte und Messen verderben; Folge
8 ) der neuen Mauten und Zölle; Folge
9) der wohlfeilen fremden Fabrikate, welche noch zum Theil ein besseres Ansehen nach heutigem Geschmack haben.
Wird man nun den vorigen Handel und Flor der Fabriken in Deutschland wieder herstellen, wenn man die inneren Mauten aufhebt, und den Eingang fremder Fabrikate versperrt? (ein Teil der) Ursachen können vielleicht dadurch aufhören.*)
Wenn aber eine strenge Handelssperre an den Gränzen Deutschlands angelegt werden wollte, statt eines mäßigen Zolles, so würde eine zehnte Ursache gegen den Flor des deutschen Handels sich herausstellen.*)
Für wen ist gesorgt, wenn ein solches Sytem in der Strenge ausgeführt wird, wie man in deutschen Zeitungen davon spricht. Einige Fabriken würden dabei gewinnen; der Handel würde dabei verlieren. Es ist die Frage: ob der Handel nicht mehr bei einer allgemeinen deutschen Gränzsperre verlieren wird, als der Fabrikant dadurch gewinnt; *)
Wo sind die letzten Reste des deutschen Handels in Deutschland noch zu sehen? Einzig in den freien Städten, wo jeder Gattung von Handelswaare ungehindert Ein- und Ausgang gesichert ist. Lege man eine strenge Sperre - wie man sie haben möchte - an die Gränze von Deutschland, so wird der Handel von Deutschland eine Krämerei, die Ströme werden veröden, und die Bauerkarren werden die Waaren auf den verfallenen Landstraßen verführen. Güterwagen mit breiter Spure werden unnöthig sein; sie mögen die gebahnten Wege nicht zu tief einschneiden, weil sie leer nach Hause gehen können. Die inländischen Fabriken bekommen das Monopol, die Fabriken machen die Preise ohne Konkurrenz- wenigstens für die besseren Erzeugnisse.
Staaten, die ihre Industrie und ihr Kommerz auf sich selbst und blos auf das Innere beschränken, bleiben in Allem zurück.
Ist das Freiheit des Handels, wenn man Deutschlands Handel auf sich selbst zurückziehen will?
Kann man ein gutes Mautsystem an der Gränze von Deutschland erwarten, wenn eine Association von Mautnern die Gränze in Admodiation ( http://www.kruenitz1.uni-trier.de/xxx/a/ka00659.htm) nehmen will?*)
An den Thoren aller freien Städte war früher und ist heute noch eine schwere MAuth - ein großer Ein- und Ausgangszoll aller Waaren, mistens nach dem Zentner. Niemand klagt über diese Abgabe als ein Handelshinderniß. In geringen Städten finden sich dergleichen schwere Auflagen selbst beim Eingange der Landesprodukte, ohne daß ich desfalls Klage vernommen habe; es sind alte Herkommen, man ist daran gewöhnt. Jetzt entstehen an andeen Orten dergleichen neue Abgaben und man belangt sie ohne Ausnahme als die Ursachen des Verfalls der Handlung und aller Gewerbe. Daß solche neue Auflagen jetzt nachtheiliger sind, als jemals, stelle ich nicht in Abrede; daß es besser wäre, sie abzuschaffen, oder doch in vielen Ansätzen herabzusetzen - daß selbst viele Ansätze unverhältnismäßig und nachtheilig sind, bezweifle ich nicht; aber ich wiederhole nur, daß hierin nicht allein der Verfall des deutschen Handels zu suchen ist."
*In vorstehenden Aufsatz des Herrn Hofraths v. RAu sind der Redaktion nachfolgende Notizen eines Sachkundigen als Anmerkungen eingesandt worden:
ein gesellschftliches Bild der Zeit nach der Napolionischen Zeit, des panischen Krieges, der Entwicklung Amerikas auf den Handel und damit die soziale Situation der Händler, des Gewerbes, der Juden und der Arbeiter.
Mainz, den 9.April 1820
So eben erschien hier das V. Heft des II. Bandes von den Beiträgen zur Beförderung des Handels und der Schiffahrt.
Die Frage:
sind die Mautsystheme in Deutschland die einzige oder Hauptursache des Verfalls des deutschen Handels, ist darin erörtert von Hofrath von Rau durch folgende interessante Bemerkungen:
Will man über den gegenwärtigen Stand der Fabriken und des Handels in Deutschland ein richtiges Urtheil fassen, so muß man die gegenwärtige Lage mit jener vor dem großen Kriegszustande vergleichen. 1)
Damals bezogen die Handels- und Kaufleute der großen und reichen Städte Deutschlands vor den Messen oder im Früh- und Späthjahr ihren Kaffee, Zucker und übrige ost- und westindischen Produkte aus den Seestädten. Holland versorgte den Rhein, die Britten größtentheils die Elbe und Weser; Fabrikwaren kaufte man in den Messen,auf welche die Fabrikanten sie brachten. Die Krämer kamen zur Zeit der Messen in jene Städte und versorgten sich auf kleine Zeitperioden und nach Verhältnis ihres Vermögensoder Kredits mit den ihnen angemessenen Sorten von Waaren. Sie kauften nicht unmittelbar von Fabrikanten, die sie nicht kannten; sie verschrieben die fremden Produkte nicht von den Seestädten; sie kauften sie vom Frankfurter, Leipziger, vom Kölner Kaufmann; sie waren mit dem Gewinne zufrieden, denen der Detailhandel ihnen zusicherte, nachdem der Großhandel seine Prozente schon davon abgezogen hatte.
In der späteren Zeitperiode gab das abwechselnde Kriegstheater und der größere Bedarf dem Handel in Deutschland eine andere Gestalt. Die gemessenen Vorräthe, die man früher von Messe zu Messe verschrieb, waren bei den Truppenbewegungen von einer halben Million fremder Kriegsvölker und ihres bedeutenden Nachzugs schnell aufgezehrt. Eine große Anzahl anderer Artikel wurde ein weit wichtigerer Gegenstand des Handels. Man legte Militärmagazine an; diese veranlaßten Spekulationsmagazine aller Art.
Man beeilte sich überall Vorkäufe zu machen; jeder wollte hierin der erste sein, und den größten Vortheil vor anderen haben.
Die sonst ein halbes Jahr an ihren Vorräthen verkauften, setzen sie in einer Woche ab; wo dies nach einiger Zeit nicht so fortging, klagte man: der Handel gehe schlecht.
Die Kaufleute legten aller Orten Komtoire (Handels-Büros) an, um die bestellten Lieferungen zu besorgen; sie schickten aller Orten Reisende, um gute Einkäufe zu machen. Diese glücklichen Entreprisen (Geschäfte) vermehrten die Speculanten aller Art; jeder wollte den Großhändler spielen und schnell ein Millionär werden. Die Zahl dieser Großhändler vermehrte sich, wie der Sand am rothe Meere; aber die Millionäre nicht in gleicher Zahl. 2)
Den Kleinhandel zu treiben, war eine Schande; man überließ ihn den Juden. Dieses sparsame Volk wußte ihn zu benutzen.
Der außerordentliche Verbrauch der Fabrikwaaren, wozu die des Luxus nicht weniger, als die des Bedürfbisses gehörten, machte die Vergrößerung der Fabrikgebäude und die drei- bis vierfache Vermehrung ihrer Arbeiter nothwendig. Viele neue entstanden. Man bezog nicht mehr mit seinen Fabrikaten die Messen, man setzte alles vor der Zeit ab, die Hände konnten nicht genug arbeiten.
Was etwa übrig blieb oder zurückgelegt werden mußte, bekamen oft die Juden zum Verschleiß im Kleinhandel.
Das Kriegstheater wich endlich von dannen; aber die Magazine waren noch mit Vorräthen aller Art angehäuft, die Fabrikarbeiter überall in großer Anzahl mit voller Bearbeitung des rohen Materials beschäftigt.
Den Detailhandel indessen überall die Juden an sich gezogen, weil er den christlichen Kaufleuten zu gerin war. Diese wußten ihren Vortheil daraus zu ziehen, und vermehrten, in sparsamer Lebensweise ihr Vermögen. Sie wurden jetzt die Großhändler, indem sie den Fabriken aus der Noth halfen, die ihre Waaren unter dem Preise verkaufen mußten, um ihre Arbeiter zu bezahlen.
Letztere hatten den Schaden, jene genossen des Vortheils; diese verarmten, jene wurden reich.
Die Fabrikarbeiter wurden außer Arbeit gesetzt, das Heer der Kommis wurde verabschiedet.
Mit dem Verdienste und der Leichtigkeit des Erwerbs in den Kriegsjahren war der Luxus aller Art gestiegen. Das Geld ging damals von Hand zu Hand. Diese schnelle Cirkulation erleichterte die Ausgabe im Allgemeinen, und schien die Masse des Geldes unendlich vermehrt zu haben.
Allein, nur Wenige hatten große Reichthümer angehäuft, nicht Alle waren glücklich in ihren gewagten Unternehmungen. Viele hatten es groß angefangen: jetzt gingen Wege und Mittel aus, es groß fortzusetzen.
Mitten im Kriege schien das Kontinentalsystem dem deutschen Handel eine furchtbare Sperre anzulegen und doch gewann damals der Handel unendlich; die größten Spekulationen wurden ausgeführt, die Geschäfte auf großen Umwegen und mit vielen Beschwernissen erreicht, der Handel wußte sich die Straßen zu öffnen und den Weg zu sichern, man überzeugte sich, daß die strengste Sperre kein Hindernis des Handels sei, wenn der Absatz keinem Zweifel unterlag.
Wenn jene Sperre, die mit so vieler Strenge behauptet wurde, wenn die dabei gesetzten Auflagen, welche jene aller neuen Mauten bei weitem überstiegen, dem Handel und Verkehr nichts schadeten, weil der Absatz unter jedem Preise gesichert war, soll man dann nicht auf die Vermuthung kommen:
Daß die jetzigen Mautsysteme wenigstens nicht die Haupt- und nicht die einzige Ursache des Stillstandes im deutschen Handel seien?
Wenn in den nordamerikanischen Freistaaten, wenn in Großbrittanien und in allen übrigen Staaten von Europa der Handel still liegt, wie in Deutschland; wenn dort die alten Handelsgesetze und Freiheiten unverändert - wie früher - bestehen, und doch der Absatz, mithin der Verkehr aller Art vermindert ist:
soll man unter solchen allgemeinen Verhältnissen, den Stillstand des Handels und der Fabriken in Deutschland - den neubestehenden Mautsystemen zuschreiben? *)
Wenn man überdenkt, daß mit Endigung eines jeden Kriegs, eine Menge Menschen, die sich vor und hinter den Armeen ernährten, brodlos werden müssen;
Daß der Verbrauch unendlich abnehmen muß, folglich die Fabrikation und der Verkauf in das vorige Gleichgewicht zurücktritt; *)
Daß durch die Verwüstungen des Krieges viele Bewohner des LAndes verarmen und in Schulden gerathen;
Daß beim Ende dieses Krieges der Papierhandel die Hauptrolle spielt und allen übrigen Geschäften das Geld entzieht; *)
Daß nach den erschöpften Staatskassen die Regierenden einen Schatz in klingender Münze zu bilden suchen;
Daß nter diesen Umständen noch Hungerjahre hinzukommen, wie jene von 1816 und 1817,
So ist nach meiner Überzeugung der verminderte Handel Folge:
1) des Friedens, wegen des verminderten Verbrauchs: Folge
2) der übergroßen Menge der vergrößerten Fabrikanstalten; Folge
3) der übergroßen Menge von Kaufleuten, die oft genöthigt sind, die Waaren wohlfeiler zu verkaufen, als sie dieselben einkauften, um Geld zu gewinnen, die Einkäufe zu decken. Folge
4) der häufigen Papiergeschäfte, welche den übrigen Handelsspekulationen das Geld entziehen; Folge
5) der Thätigkeit der Juden, die sich des Detailhandels bemächtigt haben und wohlfeilere Preise machen als die Christen. Folge
6) der Luxus der Handelsleute, die von ihrer vorigen Stufe des Großhändlers nicht wieder zum Detailhändler zurückkehren wollen; Folge
7) des großen Heeres der Musterreiter, welche alle Märkte und Messen verderben; Folge
8 ) der neuen Mauten und Zölle; Folge
9) der wohlfeilen fremden Fabrikate, welche noch zum Theil ein besseres Ansehen nach heutigem Geschmack haben.
Wird man nun den vorigen Handel und Flor der Fabriken in Deutschland wieder herstellen, wenn man die inneren Mauten aufhebt, und den Eingang fremder Fabrikate versperrt? (ein Teil der) Ursachen können vielleicht dadurch aufhören.*)
Wenn aber eine strenge Handelssperre an den Gränzen Deutschlands angelegt werden wollte, statt eines mäßigen Zolles, so würde eine zehnte Ursache gegen den Flor des deutschen Handels sich herausstellen.*)
Für wen ist gesorgt, wenn ein solches Sytem in der Strenge ausgeführt wird, wie man in deutschen Zeitungen davon spricht. Einige Fabriken würden dabei gewinnen; der Handel würde dabei verlieren. Es ist die Frage: ob der Handel nicht mehr bei einer allgemeinen deutschen Gränzsperre verlieren wird, als der Fabrikant dadurch gewinnt; *)
Wo sind die letzten Reste des deutschen Handels in Deutschland noch zu sehen? Einzig in den freien Städten, wo jeder Gattung von Handelswaare ungehindert Ein- und Ausgang gesichert ist. Lege man eine strenge Sperre - wie man sie haben möchte - an die Gränze von Deutschland, so wird der Handel von Deutschland eine Krämerei, die Ströme werden veröden, und die Bauerkarren werden die Waaren auf den verfallenen Landstraßen verführen. Güterwagen mit breiter Spure werden unnöthig sein; sie mögen die gebahnten Wege nicht zu tief einschneiden, weil sie leer nach Hause gehen können. Die inländischen Fabriken bekommen das Monopol, die Fabriken machen die Preise ohne Konkurrenz- wenigstens für die besseren Erzeugnisse.
Staaten, die ihre Industrie und ihr Kommerz auf sich selbst und blos auf das Innere beschränken, bleiben in Allem zurück.
Ist das Freiheit des Handels, wenn man Deutschlands Handel auf sich selbst zurückziehen will?
Kann man ein gutes Mautsystem an der Gränze von Deutschland erwarten, wenn eine Association von Mautnern die Gränze in Admodiation ( http://www.kruenitz1.uni-trier.de/xxx/a/ka00659.htm) nehmen will?*)
An den Thoren aller freien Städte war früher und ist heute noch eine schwere MAuth - ein großer Ein- und Ausgangszoll aller Waaren, mistens nach dem Zentner. Niemand klagt über diese Abgabe als ein Handelshinderniß. In geringen Städten finden sich dergleichen schwere Auflagen selbst beim Eingange der Landesprodukte, ohne daß ich desfalls Klage vernommen habe; es sind alte Herkommen, man ist daran gewöhnt. Jetzt entstehen an andeen Orten dergleichen neue Abgaben und man belangt sie ohne Ausnahme als die Ursachen des Verfalls der Handlung und aller Gewerbe. Daß solche neue Auflagen jetzt nachtheiliger sind, als jemals, stelle ich nicht in Abrede; daß es besser wäre, sie abzuschaffen, oder doch in vielen Ansätzen herabzusetzen - daß selbst viele Ansätze unverhältnismäßig und nachtheilig sind, bezweifle ich nicht; aber ich wiederhole nur, daß hierin nicht allein der Verfall des deutschen Handels zu suchen ist."
*In vorstehenden Aufsatz des Herrn Hofraths v. RAu sind der Redaktion nachfolgende Notizen eines Sachkundigen als Anmerkungen eingesandt worden: