Spuk von Großerlach

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Thomas
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Spuk von Großerlach

Beitrag von Thomas »

Dieser Beitrag, verfasst von Thomas resp. Gemeinde Großerlach am 03.11.2002, 17:28 Uhr, wurde aus den ehemaligen News-Artikeln ins Forum übernommen.

Man schreibt das Jahr 1916 in Großerlach. Das Spukhaus, um das sich das Folgende handelt, ist ein vermutlich aus dem Jahr 1740 stammendes kleineres Bauernhaus mit Stallung. Seine Besitzerin ist die 35-jährige Witwe Rosine Kleinknecht, deren Mann, ein Postbote, am 2.1 November 1915 im Westen fiel. Die Witwe bewohnt das Haus mit ihren drei Kindern, Mädchen im Alter von drei bis elf Jahren, und ihrem Neffen im Alter von vierzehn Jahren, der für den abwesenden Mann bei der Besorgung des Viehs hilft.
Am 30. April, einem Sonntag, begann der Spuk und zwar im Stall, morgens um sieben Uhr. Nach dem Melken und Füttern war der Stall geschlossen worden. Da brüllte ein Kalb und beim Nachsehen fand man, dass es losgebunden war. Alles Vieh war sehr aufgeregt, schlug mit den Hinterbeinen aus und schwitzte, wie wenn es mit Wasser begossen worden wäre. Frau Kleinknecht band das Kalb fest und schloss den Stall. Doch sofort brüllte das Kalb wieder, und als die Frau nachsah, waren zwei Stück Vieh losgebunden. Die Sache war rätselhaft, da niemand im Stall gewesen war. Die Frau holte einen Nachbarn, der dann mit ihr den geheimnisvollen Vorgang des Losbindens der Ketten genau beobachtete. Trotzdem man die Tiere mit Ketten und Stricken festband und fünf Knoten machte, wurden sie sofort wieder losgebunden. Dabei konnte man stets die Bewegungen der Kette genau beobachten. Die Kette lag dann, zu einem Klumpen geballt, auf der Erde. Aber die unsichtbaren Hände suchten auch das Vieh zu quälen, indem sie die Halskette so lange einwärts drehten, bis sie sich zu einem dichten Knäuel verknotete und das Vieh zu ersticken drohte. Diese Vorgänge wiederholten sich am 1. und 2. Mai.

Am 2. Mai ging der Spuk auch in der Wohnung los: das kleinste Kind wurde plötzlich sehr aufgeregt, in der Küche krachte und polterte es von abends neun Uhr bis morgens drei Uhr. Das Kind sah einen schwarzen Geißbock am Bett der Mutter; die anderen sahen ihn nicht. Man schaffte das Kind aus dem Haus, da begann das siebenjährige Mädchen unruhig zu werden, behauptete, grüne Augen und Ohren zu haben, weinte und phantasierte.

Vom 3. bis 5. Mai ließ der Spuk nach und ruhte vom 6. bis 13. Mai völlig. Dann aber ging es derart los, dass Menschenaufläufe entstanden. Es begann abends um fünf Uhr damit, dass ein Holzscheit auf dem Herd zu tanzen anfing. Ein Bauer vorn Nachbarhof warf das Scheit zum Fenster hinaus, es kehrte aber blitzschnell wieder zurück, ohne dass man sah wie. Das wiederholte sich des öfteren. Das Stück Holz spazierte vorn Hausgang auf den Speicher und zurück, auch ein Holzstumpen flog später in der Küche umher. Abends stürzten fünf Milchhäfen vom Brett herunter, zerbrachen und vergossen ihren Inhalt.

Vom 15. Mai an gingen die Erscheinungen in Haus und Stall nebeneinander her; das Vieh wurde nun auch geschlagen, alle Milchgeschirre, Mostkrüge, Teller, Pfannen, Schmalzhäfen, Wassereimer usw. sprangen von ihren Plätzen, flogen auf den Boden, ja' sogar zur Haustüre hinaus. Sie wurden auch nach Personen geworfen. Ein Bauer, der mit seiner Peitsche dem Spuk zuleibe ging, wurde übel zugerichtet. Geschirre mit Speisen, die auf dem Tisch oder der Kommode standen, flogen in die Höhe und fielen dann zur Erde.
Eines Tages kam der Kinderwagen vorn Speicher die Treppe herabgesaust. Das wiederholte sich, als man ihn wieder hinauf gebracht hatte. Als ein Augenzeuge einen schwebenden Mostkrug packte, flog ihm nachher ein Milchhafen an den Kopf. Ein Wassereimer humpelte auf dem Fußboden zur Tür hinaus. Dem Amtsdiener wurde die Mütze von hinten vom Kopf geschlagen, ohne dass jemand hinter ihm gestanden wäre. Schließlich hoben sich alle Türen aus den Angeln und stürzten zu Boden. Nachdem der Frau Kleinknecht noch die Betten zerrissen und ihrer Federn entleert, auch verschiedene Personen durch umherfliegende Gegenstände verletzt worden waren, wurde das Spukhaus, in dem das Chaos herrschte, am 15. Mai verlassen und geschlossen. Schultheiß, Lehrer, Amtsdiener, Bezirksbeamte waren Zeugen gewesen. Bis heute haben sich jedoch die rätselhaften Vorgänge weder wiederholt noch hat sich dafür irgend eine Aufklärung gefunden. Dieses rätselhafte Spiel hatte damals in der gesamten Presse Deutschlands gewaltige Wellen geschlagen.

Quelle: Gemeinde Großerlach - http://www.grosserlach.de
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