Die eigenen Vorfahren im Internet

Ahnensuche wird einfacher

Die Suche nach den Wurzeln der Familie war bisher kompliziert. Im Internetzeitalter eröffnen sich neuerdings jedoch leichte Rechercemöglichkeiten, verrät ein passionierter Ahnenforscher.

von Peter Ilg

stuttgarter

Sonntag, 15. März 1925, Castrop, im Ruhrgebiet. Louis Brandenburger ist auf dem Weg nach Hause. Brandenburger ist schon 68 Jahre alt. Das ist ein stolzes Alter für einen Menschen, der sein Leben unter Tage verbracht hat, als Bergmann. Der Rentner war in der Kirche. Sein Gebetbuch trägt er in der linken Hand, denn bei einem Unfall hat der drei Finger an der rechten Hand verloren. Hinter sich hört er das laute Knattern eines Autos. Es gibt noch nicht viele Autos in diesen Tagen, da drehen sich die meisten um, auch der Kirchgänger auf dem Nachhauseweg. Brandenburger sieht den Wagen auf sich zufahren. Der alte Mann kann nicht mehr ausweichen, auch das Auto nicht und so kommt er unter die Räder. Der Fahrer des Unfallwagens legt den Schwerverletzten in sein Auto und fährt ihn nach Castrop ins Krankenhaus, wo Louis Brandenburger am 15. März 1925 seinen Verletzungen erliegt. Der Fahrer des Autos verschwand, ohne Namen und Adresse anzugeben. Er wurde wohl auch nie ermittelt.

Das alles geschah am 15. März 1925. „Louis Brandenburger war mein Ur-Ur-Großvater mütterlicherseits“, erzählt Thomas Greve. Wie sein Vorfahre zu Tode kam, hat er von einem Menschen erfahren, den er noch nie im Leben gesehen hat und wahrscheinlich auch nie sehen wird: Es war der Enkel des Verunglückten. Im Internet hatte Thomas Greve eine Anfrage gestartet, ob jemand seinen Ur-Ur-Großvater kenne. Jahre später bekam er die Antwort per Email. Der Enkel schickte sogar den Zeitungsausschnitt mit, in dem seinerzeit über den Unfall bereichtet wurde und auch die Todesanzeige, in der die Verwandten die traurige Nachricht bekannt gegeben hatten. Die Anzeige brachte Thomas Greve auf einen Schlag weiter: Mit einmal hatte er Ansprechpartner, die den Vorfahren persönlich kannten und von ihm erzählen konnten. „So viel Glück haben Ahnenforscher nicht jeden Tag“, freut sich Greve zurückblickend.

Gut zehn Jahren ist es nun her, dass Thomas Greve die Mail samt Anhang erhalten hat. Zwei Jahre zuvor hatte er damit begonnen, seine Ahnen zu erforschen. „Bei der Ahnenforschung geht es um das Sammeln von Daten“, so Greve. Dabei beginnt man bei den lebenden Verwandten, geht dann über die Standesämter. Hier erhält man aus Gründen des Datenschutzes jedoch nur Auskunft über Verwandte in direkter Linie.

Für Ahnenforschung braucht man aber auch Zeit. „Die Verwandtschaft kann man mal rasch am Telefon befragen“. Bis aber Bedienstete von Standesämtern und Kirchenarchiven auf Anfragen reagieren würden, vergingen oft Monate. „Drei bis vier Generation bekommt man relativ leicht heraus, wenn die eigenen Eltern noch leben“. Dann sei aber Schluss, ohne Computer und Internet geht dann nicht mehr viel und das in zweierlei Hinsicht: der Computer dient einerseits der Verwaltung der Daten, die man gesammelt hat. So können in Programme Stammbäume angelegt werden. Hier kann man neben dem Namen auch Geburtsdatum, Tag der Heirat, Nachkommen und das Datum des Todestages eingeben. Zudem bieten die Programme Möglichkeiten von statistischen Auswertungen wie Durchschnittsalter bei Heirat und Tod.

Der Computer bietet sich jedoch nicht nur bei der Dokumentation der gewonnenen Ergebnisse an. Er ist auch hilfreich bei der Suche nach weiteren Informationen, etwa auf der Homepage der Mormonen. Die Mitglieder der Kirche Jesus Christi der Heiligen der letzten Tage haben weit über 300 Millionen Einträge in ihrer Datenbank stehen. Gewonnen haben sie diese Informationen aus Kirchenarchiven und Standesämtern. In jahrzehntelanger Arbeit haben die Mitglieder der Kirche weltweit wichtige Personenstandsdaten aufgeschrieben. Der Grund für diesen Eifer: Die Mormonen wollen die Namen ihrer bereits verstorbenen Ahnen erforschen, um ihnen nachträglich die Segnungen ihrer Kirche angedeihen zu lassen. Den Ahnenforschern stellen die Mormonen ihre Daten unter der Adressewww.familysearch.org kostenlos zur Verfügung. „Das sind freundliche und liebe Menschen, die nicht ständig versuchen, einen mit ihrer Religion zu bekehren“, sagt Thomas Greve, der dort häufig recherchiert.

Man müsse kein Informatiker sein, um im Internet nach seinen Vorfahren zu suchen, beruhigt der Ahnenforscher. Er empfiehlt zum Beispiel die Homepage www.ahnenforschung.net. Hier werden über eine Metasuchmaschine, das ist eine Suchmaschine, die andere Suchmaschinen durchstöbert, oft gute Ergebnisse erzielt. Auch Thomas Greve hat eine eigene Homepage eingerichtet, mit dem Ziel, Kontakt mit anderen Ahnenforschern aufzunehmen, die dieselben Vorfahren haben wie er. „Mit denen möchte ich gewonnene Informationen über unsere Familie abgleichen und wechselseitig ergänzen. Auf der Seite unter der Adresse www.familie-greve.dekönnen auch kostenlos Programme zur Ahnensuche und zur Datenverwaltung geladen werden.

Greve hat in jahrelanger Detailarbeit seinen Ahnen elf Generationen weit zurück verfolgt. 960 Personen hat er in seiner Datenbank. Nun ist er im Jahr 1714 angekommen, bei Johann Henrich Greve, einem Grenadier vom lippischen Regiment. „Von ihm fehlt mir der Geburtsort“, berichtet Thomas Greve. Und den braucht er, um zu dessen Eltern zu gelangen.

Ziel von Greve ist es, bis zum 30jährigen Krieg seine Ahnen zu erforschen. „Das sind noch 100 Jahre, also drei Generationen und das sollte drin sein“, gibt er sich zuversichtlich. Bei dem Grenadier konzentriert er sich bei seiner Suche auf den militärischen Bereich, war bislang aber noch nicht erfolgreich. „In diversen Foren habe ich Anfragen gestellt, doch das kann Jahre dauern, bis man da eine brauchbare Antwort kommt“, berichtet er. Denn erstens muss jemand die Anfrage lesen und zweitens muss dieser dann auch noch die passende Antwort haben. Doch das überraschende Mail bei der Suche nach dem verunglückten Ur-Ur-Großvater lässt Thomas Greve auch in diesem Fall hoffen.

Hier noch drei Anzeigen aus den damaligen lokalen Tageszeitungen:

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